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Zwei Fallbeispiele: Sexuelle Übergriffe

ehansen-olpe

Aktualisiert: 21. Dez. 2023


Frühkindliche Sexualität ist ein wichtiger Bestandteil der natürlichen Entwicklung eines jeden Kindes und auch in den Kitas begegnen einem immer wieder entsprechende Situtationen. Meistens ist dabei nur ein Kind alleine aktiv oder die Kinder führen alle einvernehmlich ein Körpererkundungsspiel durch. Aber was ist, wenn das mal nicht der Fall ist, wenn ein Kind gegen seinen Willen an einer sexuellen Aktivität teilnimmt? Hier kommen zwei Fallbeispiele von sexuellen Übergriffen in der Kita mit möglichen Handlungsoptionen.


Fallbeispiel 1:

Der vierjährige Max geht vor dem Mittagsschlaf häufig in die Puppenecke und reibt sich dort durch die Hose seinen Penis. Manchmal sind währenddessen Mädchen dort und spielen. Diese haben sich zuletzt bei einer Erzieherin darüber beschwert.


Zunächst einmal eine Einordnung: Junge Kinder ab etwa dem zweiten oder dritten Lebensjahr berühren sich gerne an ihren Genitatlien und empfinden dabei ein Wohlgefühl. Das ist vergleichbar mit dem Streicheln über den Rücken oder dem Reiben mit der Kuscheldecke im Gesicht - es ist einfach ein schönes Gefühl und wird deshalb gerne wiederholt. Eine sexuelle Erregung wie bei Erwachsenen entsteht dabei nicht. Zudem wirkt es entspannend auf die Kinder und wird deshalb besonders häufig vor dem Schlafen oder in Stresssituationen gemacht. Max' Verhalten ist also erstmal vollkommen natürlich und nachvollziehbar.


Es ist jedoch immer so, dass man von einem Übergriff spricht und Einschreiten muss, wenn sich andere Kinder gestört fühlen. Es ist anzunehmen, dass sich die Mädchen - je nach Alter - noch nicht mal durch das Berühren des Penis' gestört fühlen, sondern einfach weil Max neben ihnen steht und sie beim Spielen beobachtet. In der Regel bewerten junge Kinder ein aus unserer Sicht sexuelles Verhalten ganz anders als wir und sehen darin keine Besonderheit. Nichtsdestotrotz gilt es dies zu unterbinden, weil sich die Mädchen gestört fühlen; ihre persönlichen Gründe dafür sind dabei zweitrangig, da es sich objektiv gesehen, definitiv um eine sexuelle Aktivität handelt.


Wichtig in einem solchen Fall ist es, Max nicht das Gefühl zu geben, dass er etwas Schlechtes macht, sondern ihn zu begleiten sein Bedürfnis auf eine Art auszuleben, welche zu den Werten in unserer Gesellschaft passen. Da er diese noch nicht kennen kann, seid ihr nun dafür verantwortlich sie ihm beizubringen. Sprecht mit ihm, sagt ihm, dass ihr verstehen könnt, warum er das tut, denn es fühlt sich sehr schön an und dass er das ruhig weitermachen kann. Weist ihn aber auch darauf hin, dass das etwas ist, was man für sich alleine macht, in einer ungestörten Ecke. Vielleicht habt ihr Alternativen, die ihr ihm anbieten könnt - eine Kuschelecke oder er darf schon ein paar Minuten vor den anderen Kinder in sein Bett. Das kommt ganz auf die Gegebenheiten in der Einrichtung an.


Fallbeispiel 2:

Die fünfjährige Samina und die dreijährige Miriam ziehen sich in der Bauecke im Kindergarten aus und betrachten sich gegenseitig. Samina möchte aber gerne noch genauer schauen und auch anfassen. Miriam möchte das eigentlich nicht, aber weil Samina ihr sagt, dass ihr Papa Polizist ist und Miriam richtig Ärger kriegt, wenn sie nicht mitmacht. Dann drückt sie Miriams Beine auseinander und zieht an ihren Schamlippen. Miriam fängt an zu weinen, weil Samina ihr wehtut.


In diesem Beispiel ist der Übergriff aus unserer Sicht sicher noch deutlicher zu erkennen, im Kita-Alltag würde man aber vermutlich erst durch das Weinen von Miriam darauf aufmerksam werden und hätte den vorherigen Verlauf nicht mitbekommen. Das ist häufig eine Schwierigkeit und erfordert im Vorfeld eine gute und wissensbasierte Beobachtung, damit man eventuell schon ein Auge auf die beiden Mädels wirft, wenn sie mit ihrem Erkundungsspiel anfangen und den Übergriff verhindern kann. Hier haben wir ein typisches Beispiel, denn ein Kind nutzt die eigene Überlegenheit erwachsen aus dem Altersunterschied aus, um das andere Kind zu manipulieren. Weitere Anzeichen für ein erhöhtes Risiko für einen sexuellen Übergiff erfährst du übrigens in meinem Online-Seminar "Doktorspiele in der Puppenecke".


Ist es aber erstmal so weit gekommen, so muss natürlich sofort eingeschritten werden und dann gilt folgender Grundsatz: Erst das betroffene Kind befragen und stärken, dann das übergriffige Kind zurechtweisen, danach im Team beraten und schließlich die Eltern informieren.

Das betroffene Kind muss erfahren, was es gut gemacht hat, damit es das Gefühl von Ohnmacht verliert. Also z.B.: "Gut, dass du so laut geweint hast, so konnte ich dir helfen." Außerdem soll dieses Kind ganz in Ruhe und ausführlich berichten dürfen, was passiert ist. Hier helfen konkrete Nachfragen.

Danach wird mit dem übergriffigen Kind nur anhand von Erzählungen durch die Erzieherin und sehr gezielten Nachfragen (das Kind darf nicht die Chance bekommen, selber zu erzählen und den Vorfall runterzuspielen) gesprochen. Dabei muss sehr klar gemacht werden, dass es unter keinen Umständen in Ordnung ist über den Willen eines anderen Kindes hinwegzugehen.

Im Team berät man über mögliche Konsequenzen - besteht die Gefahr, dass sich ein ähnlicher Vorfall wiederholt oder ist das übergriffige Kind sehr einsichtig? In ersterem Fall muss eine Konsequenz gefunden werden, die eine Wiederholung verhindert und dabei nur das übergriffige Kind einschränkt und kein anderes.

Die Eltern sollten immer informiert werden, dabei ist es wichtig, den Vorfall weder zu dramatisieren noch runterzuspielen. Erklärt den Eltern die normale Entwicklung der Kinder, aber macht dennoch eure Konsequenzen deutlich. Der Schutz des betroffenen Kindes steht im Vordergrund, während das übergriffige Kind nicht zu einem "Täter" abgestempelt werden darf.


Hier ist oft Fingerspitzengefühl gefragt - wenn du mehr konkrete Tipps haben möchtest, welche Nachfragen das Gespräch mit den Kindern unterstützen, wie Konsequenzen aussehen könnten und auf welche Weise du die Eltern am besten abholen kannst, dann komm' in mein Online-Seminar "Doktorspiele in der Puppenecke" - hier erfährst du mehr.




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