Essensverweigerer, Gemüseboykott und Veganismus in Kita und Krippe
- ehansen-olpe
- 17. Juni
- 5 Min. Lesezeit

Mein Mann war als U3-Kind für ein Jahr in einer Tagespflegestelle und dort gab es – wie sich später rausstellte – täglich Milchreis mit Zimt und Zucker. Auch wenn die Kinder keinen Hunger oder auch keinen Appetit hatten, mussten sie ihre Portion aufessen. Mein Mann kann bis heute allein den Geruch von Zimt schlecht ertragen und Milchreis könnte er niemals wieder essen. Das ist natürlich ein extremes Beispiel, aber es zeigt doch sehr eindrücklich wie groß der Einfluss von Essgewohnheiten auf das ganze spätere Leben ist; selbst oder gerade in sehr jungen Jahren. Aber wie geht man mit Essensverweigerern, Gemüseboykott oder vegan erzogenen Kindern um?
Fangen wir mal bei den Essensverweigerern an: Also zunächst einmal ist es bei einem gesunden Kind ausgeschlossen, dass sich dieses zu Tode hungern würde. Das heißt, dass du auch bei Kindern, die nichts essen wollen, erstmal durchatmen solltest. Natürlich haben wir immer das Wohl der Kinder im Sinn. Wir möchten, dass sie ausreichend mit Energie versorgt sind und genügend Nährstoffe zu sich nehmen. Und die Wahrscheinlichkeit bei einem Kind im Krippen- oder Kitaalter ist recht hoch, dass es das tut, selbst wenn es die ein oder andere Mahlzeit in der Kita ausfallen lässt.
Kinder in diesem Alter haben in der Regel noch ein sehr gutes intuitives Körpergefühl, dass ihnen eindeutig signalisiert, wann sie Hunger haben und wann sie satt sind. Dieses intuitive Essverhalten geht sogar soweit, dass der Körper durch Appetit zeigt, was ihm gerade an Nährstoffen besonders fehlt. Im Laufe der Zeit geht diese Intuition immer mehr verloren. Das liegt hauptsächlich daran, dass wir aufhören uns danach zu richten und vielmehr Rituale und Gewohnheiten bei unserer Nahrungsaufnahme etablieren (z.B. vor der Kita wird gefrühstückt, der Teller wird aufgegessen…). Außerdem sorgt z.B. ein hoher Zuckerkonsum für eine durchgehende Präferenz von süß, was den Appetit verfälscht und ihn dadurch immer unbrauchbarer als Sprachrohr für die Bedürfnisse des Körpers macht. Bei den U3-Kindern ist die Einflussnahme von Gewohnheiten und der Konsum von Zucker oftmals noch vergleichsweise gering, sodass das intuitive Essverhalten noch gut funktioniert. Bei den etwas Älteren wird es je nach Elternhaus schon schwieriger, ist aber in der Regel immer noch besser vorhanden als bei uns. Dementsprechend sollten wir den Kindern glauben, wenn sie sagen, dass sie keinen Hunger (mehr) haben, auch wenn sie dann aus unserer Sicht viel zu wenig gegessen haben. Kinder regulieren ihre Nahrungsaufnahme auf 24 Stunden gesehen. Soll heißen, dass das Kind, welches tagsüber in der Kita kaum isst, vermutlich abends richtig reinhauen wird. Und schlimmstenfalls bemerkt das Kind dann nach 30 Minuten, dass es nun doch Hunger hat. Und dann seien wir mal ehrlich: Wie lange muss das Kind noch durchhalten bis sowieso der nächste Snack oder die nächste Mahlzeit ansteht? Und ganz davon abgesehen, ist es für den Körper vollkommen natürlich und sogar gut, hin und wieder Hunger zu haben. Nur dann kann er sich mal ausführlich um andere Prozesse kümmern und ist nicht kontinuierlich mit Nahrungsverwertung beschäftigt.
Wenn ein Kind also nicht essen möchte, dann respektieren wir das. Ein Kind zum Essen zu zwingen wäre ohnehin eine Straftat und gilt als Nötigung. Und damit ist nicht nur körperlicher Zwang gemeint, sondern auch psychischer Druck oder emotionale Erpressung. Beides ist sowohl strafrechtlich als auch arbeitsrechtlich strafbar. Insbesondere bei Kindern, die sich verbal noch nicht klar äußern können, achte bitte gut auf Gestik und Mimik – möchte das Kind wirklich noch weiteressen oder lehnt es eigentlich nonverbal ab?
Diese eher gelassene Grundeinstellung heißt jedoch nicht, dass man dennoch mal genauer hinschauen kann. Wenn ein Kind vereinzelt und ohne erkennbares Muster hin und wieder eine Mahlzeit in großen Teilen oder komplett ausfallen lässt, dann ist das vollkommen okay und kann einfach so akzeptiert werden. Wenn es sich häuft oder besonders während einer Mahlzeit auffällt, lohnt es sich, gemeinsam mit den Eltern darüber zu sprechen. Macht das keinesfalls nur im Team aus, denn dann fehlen euch wichtige und eventuell alles entscheidende Erkenntnisse von zu Hause.
Vielleicht isst das Kind morgens vor der Kita immer schon eine Portion Haferflockenbrei und ist beim gemeinsamen Frühstück einfach immer noch satt. In dem Fall könntest du mit den Eltern vereinbaren, dass sie ihrem Kind probehalber mal nur eine kleine Portion Obst mitgeben. Meistens verschätzen wir uns bei den Mengen, das heißt, wir glauben, dass gerade die kleinen Kinder noch deutlich größere Portionen zu sich nehmen müssten als es de facto der Fall ist.
Vielleicht zahnt das Kind auch aktuell und viele Speisen fühlen sich unangenehm an. Probiert da doch mal Alternativen anzubieten, also z.B. einen Obstbrei oder Joghurt statt des regulären Mittagessens.
Vielleicht kommt ihr so einer Unverträglichkeit auf die Schliche. Gerade bei Kindern, die sehr lange in der Einrichtung sind und den Großteil ihrer Mahlzeiten dort einnehmen, kann das den Eltern eventuell noch nicht aufgefallen sein. Wenn das Kind dann nach dem Essen ständig Bauchschmerzen kriegt, kann es sein, dass es aufgrund dessen das Essen ablehnt.
Ob du einen speziellen Grund findest oder nicht, das Kind entscheidet, wie viel es essen möchte.
Aber was ist mit den „picky Eatern“, also den Kindern, die z.B. grundsätzlich das Gemüse liegen lassen. Wir fühlen uns verantwortlich für die gesunde und ausgewogene Ernährung der Kleinsten. Aber auch hier sollten wir daran denken, dass Kinder in der Regel noch ein gutes Gespür haben und ihre Nährstoffe dann oft zu großen Teilen aus anderen Quellen (z.B. Obst) beziehen. Und selbst wenn nicht, solltest du dir immer vergegenwärtigen, dass euer Schutzkonzept auch für die Nahrungsaufnahme gilt. Selbstbestimmung, Partizipation und körperliche Unversehrtheit stehen hier ganz vorne! Also, kein Zwang, kein Druck. Gutes Vorbild sein und das Kind von den anderen lernen lassen. Natürlich kann man versuchen es reizvoller zu machen – „Hör mal, wie laut die Möhre im Mund knackt. Bei dir auch?“ – aber wir sollten es nicht übertreiben. Man kann auch schauen, dass man gute Alternativen anbietet und hier zählt oft die Konsistenz – wird das Gemüse gekocht nicht gegessen, geht es vielleicht roh oder püriert unter die Soße gemischt.
Und zu guter Letzt: Was macht man denn mit Kindern, deren Eltern auf eine vegetarische oder gar vegane Ernährung bestehen? Zunächst einmal müsst ihr rechtlich gesehen keine vegetarische oder vegane Kost anbieten, solltet aber immer offen und ehrlich mit den Eltern darüber im Austausch stehen. Ist es für euch leicht umzusetzen, könnt ihr natürlich beim Caterer eine entsprechende Anzahl vegetarischer/veganer Gerichte bestellen. Kocht ihr selbst, wird das vermutlich schwieriger. Möchte das Kind von Nahrungsmitteln probieren, die es laut der Kost der Eltern nicht darf, solltest du ein Gespräch mit den Eltern führen und auch nochmal auf das Recht nach Partizipation bei Kindern hinweisen. Inwiefern ihr als Einrichtung den Wünschen der Eltern nachkommt, liegt in eurem pädagogischen und organisatorischen Ermessen.
Wird ein Kind vegan ernährt, bringt das eine enorme Komplexität mit sich, die kaum jemand so stark durchsteigt, dass eine gesunde und ausgewogene Nährstoffzufuhr im Kleinkindalter gesichert ist. In meinem Blogbeitrag zu vegetarischer und veganer Ernährung bei Kindern, kannst du das noch genauer nachlesen. Deshalb empfehle ich, diese Eltern zu begleiten und die Thematik zu besprechen. Schlussendlich ist aber klar, dass die Verantwortung dafür bei den Eltern liegt.
Ihr als Einrichtung könnt übrigens problemlos eine rein vegetarische Ernährung für alle Kinder anbieten. Damit leistet ihr sogar einen großen Beitrag zur Reduktion des Fleischkonsums und damit zum Umweltschutz. Die Kinder werden dadurch ja in der Regel nicht komplett vegetarisch ernährt, denn zu Hause werden sie wohl weiterhin Fleisch bekommen und 1-3x Fleisch pro Woche ist ohnehin absolut ausreichend, wenn man nicht darauf verzichten möchte. Einen rein veganen Speiseplan solltet ihr aufgrund der oben angerissenen Schwierigkeiten nicht anbieten.





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